- Napoleons Ägyptenfeldzug
- Napoleons ÄgyptenfeldzugDem wie ein Triumphator von der Pariser Bevölkerung empfangenen Feldherrn übertrug das Direktorium im Dezember 1797 den Oberbefehl für ein neues Unternehmen. Napoleon sollte mit einer Expeditionsarmee in Ägypten landen und die britische Mittelmeerstellung bekämpfen. Der Plan stammte von ihm selbst, das Direktorium gestand ihm die Durchführung zu.Am 19. Mai 1798 brach Napoleon von Toulon aus mit einem Flottenverband und 38 000 Elitesoldaten an Bord auf; im Juli 1798 war er bereits Herr über Ägypten. Als er in Alexandria landete, verkündete er, dass er den Frieden liebe und Freund des osmanischen Sultans sei, des Kalifen sämtlicher Muslime; zu dem wolle er den Muslimen eine großartige Moschee bauen lassen. Er sei nach Ägypten gekommen, um das Land aus der Tyrannei der Mamelucken zu befreien. Diese Worte verrieten zwar viel diplomatisches Geschick, beruhigten jedoch die Lage im besetzten Land nicht. Bereits in Alexandria leistete man ihm Widerstand, Tote und Verletzte waren zu beklagen. Nach der Besetzung Kairos am 22. Juli drangen seine Truppen in die berühmte Ashar-Universität ein, wo sie Verwüstungen anrichteten.Nachdem sich in Europa die militärische Lage für Frankreich drastisch verschlechtert hatte und die oberitalienischen Eroberungen wieder verloren gegangen waren, entschloss sich Napoleon zur vorzeitigen Rückkehr nach Frankreich. Mit einem Stab seiner Offiziere erreichte er am 9. Oktober, vorbei an den im Mittelmeer patrouillierenden britischen Kriegsschiffen, die südfranzösische Küste, kehrte nach Paris zurück und stürzte am 18. Brumaire (9. November) 1799 das Direktorium. In einer von ihm diktierten, von einem Plebiszit gebilligten Konsulatsverfassung übernahm er als Erster Konsul die exekutive Gewalt und die Gesetzesinitiative.Als Nachfolger von Bonaparte gelang es auch General Jean-Baptiste Kléber nicht, die Lage in Ägypten zu beruhigen. Ein junger Syrer aus Aleppo, ein Ashar-Absolvent, beschloss, nachdem er von den Untaten der Franzosen in der geistlichen Hochschule erfahren hatte, diese zu rächen und ermordete Kléber am 24. Juni 1800 in Kairo. Dies veranlasste die Verantwortlichen der Besatzungsarmee zur Schließung der Universität und zur strengen Überwachung von Lehrern und Studenten. Moscheen wurden in Kairo und anderwärts geschlossen oder von den Franzosen auf vielfältige Weise zweckentfremdet. Napoleon hatte die Muslime brüskiert, indem er, ein Christ, sich einem islamischen Land als Machthaber aufzwang, ohne den legitimen Herrscher zu berücksichtigen, der immer noch als Sultan und Kalif von Konstantinopel aus theokratisch regierte.In der Begleitung des künftigen Kaisers der Franzosen befanden sich zahlreiche Wissenschaftler, die »Mission scientifique«, welche die Reise Bonapartes beschreiben, aber auch das Land erforschen sollten, das seit seiner Besetzung durch die Osmanen im Jahre 1517 isoliert gewesen war. Das Institut d'Égypte mit seinen modernen Arbeitsmaterialien und die französischen Gelehrten, die wissenschaftlichen Eifer mit Zuneigung für das Land verbanden, setzten viele Einheimische in Erstaunen. Die vielen bisher unbekannten Arbeitsgeräte faszinierten die ägyptischen Gelehrten, darunter vor allem die Druckerei mit arabischen Schriftzeichen, die der General aus dem Vatikan geraubt und mitgeführt hatte.Man kann daher den Feldzug als einen wichtigen Wendepunkt in der Entwicklung Ägyptens und der arabisch-islamischen Welt betrachten, da er diesen Ländern die Tür zur modernen Welt weit aufstieß. Mehmet Ali (1805-49), der die französischen Soldaten vertrieb und Alleinherrscher über Ägypten wurde, plante, es zu einem modernen und starken Staat zu machen. Berichte über Napoleon, über seine gut organisierte Verwaltung und über die bedeutenden, in seinen Diensten stehenden Wissenschaftler waren ihm zu Ohren gekommen. So spielte Frankreich bei diesem Modernisierungsprozess Ägyptens im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts eine Schlüsselrolle.
Universal-Lexikon. 2012.